Direkt zum Hauptbereich

New York, I love you












Ich war 1998 mit meiner Freundin K das erst Mal in New York. Vor der Reise waren wir gar keine Freundinnen, sondern lediglich Kolleginnen, die noch nicht wirklich viel miteinander geredet hatten und eines Tages sehr spontan beschlossen, gemeinsam nach New York zu reisen. Weil sie es schon kannte und liebte, und ich es unbedingt kennen lernen wollte. Abends habe ich meiner damaligen Mitbewohnerin ziemlich erschrocken davon erzählt. Oh weia, hoffentlich geht das gut, ich kenn' die doch gar nicht, das war bestimmt eine Schnapsidee.

Aber es ging gut, es ging sogar sehr gut und die ganze Reise war ein phantastisches, großes Abenteuer für mich. Überhaupt kam mir Reisen da noch um einiges spannender vor als heute. Wir haben in einem richtigen Reisebüro gebucht (und den armen Mann da halb wahnsinnig gemacht, weil wir uns so blöd angestellten, als wären wir noch nie aus unserer Kleinstadt heraus gekommen) und echte Flugtickets bekommen, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen und mir fehlt es. Ich weiß noch, wie stolz ich das Ticket nach Hause getragen habe, jeden Tag habe ich nachgesehen, ob es auch noch an seinem Platz war.

In die Stadt habe ich mich dann Knall auf Fall verliebt, New York war sehr nett zu uns. Es war November und manchmal schon richtig kalt, aber das hat uns nicht gestört. Uns hat gar nichts gestört, so glücklich waren wir. Nicht, dass sich das erwartete Bad im Hotel als Wandschrank erwiesen hat und wir uns das Etagenbad mit der Truppe von Trompetenspielern teilen mussten, die gerne mal morgens um 3 geübt haben und auch nicht, dass das Doppelbett für zwei ganz winzige Menschlein ausgelegt war und wir genau das nicht waren. 

Es war uns egal, dass die riesengrosse Videokamera von Ks Vater, die sie extra zu Dokumentationszwecken mitgeschleppt hatte, nur im Hotel funktionierte. Warum haben wir nie herausgefunden. Wir haben die Kamera einfach jeden Abend aufs Bett gelegt, uns davor gesetzt und vom Tag berichtet. Ich liebe diesen Film sehr, auf dem in schlechter Bild- und Tonqualität zwei junge Frauen mit Handtuchturbanen und in Schlafanzügen kichern, durcheinander schnattern und noch mehr kichern. Und er ist mit ein Grund dafür, dass ich bis heute einen Videorekorder habe. Obwohl mein Neffe sagt, dass sein Papa gesagt hat, so was hat doch kein Mensch mehr. 

Wir sind jeden Tag frühmorgens losgezogen, vollgestopft mit Pancakes und Eiern sunny side up aus dem Diner neben dem Hotel und New York hat sich von uns entdecken lassen. Zwei Kleinstadtmädchen in der großen Stadt. Es war vor Sex and the City, wir wussten nichts von Manolo Blahnik, Mr. Big und Carrie Bradshaw, überteuerte Schuhläden & angesagte Restaurants waren uns völlig egal und bis heute hat nichts davon mit meiner Liebe zu dieser Stadt zu tun, eher umgekehrt, ich mag Sex and the City, weil ich da so viel New York sehen kann.


Wir sind stundenlang, tagelang durch die Stadt gestreift, so weit und so viel es ging. Mit staunenden Augen wie Kinder im größten und tollsten Spielzeugladen der Welt. Greenwich Village, die Eisbahn am Rockefeller Centre, Coney Island, Tiffany's, der Central Park, strawberry fields forever,... 


Wir sind stundenlang in kleinen Cafés gesessen, haben darüber diskutiert, wessen Füsse mehr schmerzen (meine, eindeutig), riesige Sandwiches verdrückt, exotische Colasorten getrunken, zufrieden geschwiegen und dabei stapelweise Postkarten geschrieben (Postkarten, weiß noch jemand, was das ist? Ich vermisse es, welche zu bekommen, bitte schreibt wieder mehr Postkarten!) und Katja musste jeden zweiten Tag mit der Auslandstelefonkarte von einer Telefonzelle aus zu Hause anrufen, um mitzuteilen, dass wir noch nicht das Opfer verrückter Axtmörder geworden sind.


Wir haben gegessen, oh und wie wir gegessen haben. Tibetanische Küche, bitte mehr davon. Fettige Pizzastücke, ich nehme gleich zwei. Triple Burger, homemade fries und Eimer voll Diet Dr. Pepper, yeah baby. Nur das Root Beer aus dem Automaten im Hotel hat uns enttäuscht, weil igitt, das ist ja gar kein Bier, das ist Betrug.



Wir haben braunen Tequila im Harley Davidson Café bestellt und die ganze Belegschaft damit erstaunt, dass wir ihn mit Zimt getrunken haben, sie haben uns dann noch welche hingestellt, damit alle sehen konnten, dass die verrückten Mädchen tatsächlich "cinnamon" und nicht "salt" gemeint und das Zeug wirklich getrunken haben. 


Wir haben natürlich auch das World Trade Center besucht und ich fand es nicht besonders beeindruckend, die ganze Gegend nicht. Hochhäuser halt, Menschen in Businesskluft und Touristen, die das Ganze bestaunten und mit riesigen Videokameras, die offensichtlich aus ausserhalb ihrer Hotels funktionierten, aufnahmen. Nur das Windows on the World, das Restaurant ganz oben in einem der Türme, das hat mich umgehauen. Wir haben dort einen Abend in der Bar verbracht, weil wir unbedingt einen Manhattan in Manhattan trinken und dabei eine Zigarre rauchen wollten, wir wollten glamouröse Diven sein. Die Bar war so mondän, wie ich mir New Yorker Bars immer vorgestellt habe, gedämpftes Licht, ein Pianospieler am Flügel, sanftes Gemurmel und dann war dieser Blick durch die Panoramafenster auf die Stadt, ein unglaubliches, wunderschönes Lichtermeer tief unter uns. Da wurde mir klar, dass ich wirklich in New York war und wie viel Glück ich hatte und ich musste fast weinen. Und mir wurde ein bisschen übel wegen meiner Höhenangst.


New York hat mich nicht mehr losgelassen. Ich war noch ein paar Mal dort, aber bei weitem nicht oft genug. Ich fühle mich dort immer frei, so frei wie man sich nur in einer fremden Stadt fühlt, weil man nicht den Ex-Freund oder abschätzig blickende ehemalige Klassenkameraden treffen kann. Und ich bin jedes Mal aufs Neue Alice, eben im Wunderland gelandet, und muss nichts anders tun als laufen, schauen, staunen und noch mehr laufen, schauen und staunen, um glücklich zu sein.


So und jetzt hab' ich verdammt noch mal Sehnsucht und will sofort in ein Flugzeug steigen, um noch heute einen Manhattan in Manhatten trinken zu können.











Kommentare

  1. Ich liebe dieses Lied. Und ich liebe diese Stadt genauso wie Du. Die einzige Stadt, in der sich verreisen wie nach Hause kommen anfühlt, oder?

    AntwortenLöschen
  2. Ganz genau. Wenn ich Fernweh habe und mich von hier weg träume, sehe ich mich nie an einem Südseestrand, sondern an dem von Coney Island, ich sehe wie ich bei Whole Foods am Union Square Essen kaufe, bei Duane Read Nagellackfarben studiere und wie ich Subway fahre. Es gibt noch so viele Orte auf der Welt, die ich besuchen möchte, aber wenn 's um die Auswahl von Reisezielen geht, ruft mein Herz immer ganz laut "New York".

    AntwortenLöschen
  3. Ich weiß! Dieses Take-out-Buffet! Das System an den Kassen! Alles! Alles toll!

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

november rain

Ich hab' den Winter-Blues. Der November ist da und er hat ein paar finstere Gesellen mitgebracht: Kälte, Dunkelheit, Nebel und den düsteren Gedanken, dass das bis April so weitergeht. Ich bin kein Wintermensch. So gar nicht. Ich mag heiße Bäder und riesige Portionen Chili mit Kürbis und am Sonntag Abend um 20 Uhr im Bett liegen und Tatort gucken. Aber ich würde das alles ohne eine Sekunde nachzudenken für helle Tage, laue Nächte und Bauchweh vom vielen Eis essen aufgeben.   Vor allem das Aufstehen ist hart. Wie bitte, es ist schon Zeit? Du spinnst ja, guck' doch mal raus! Ist noch total dunkel, es ist noch mitten in der Nacht! Wieso kann ich keinen Winterschlaf machen? Was ein bisschen helfen kann, aber wirklich nur ein bisschen, ist Musik. Hier mein Instant-Gute-Laune-Tape. Albern, laut, zum rumhüpfen im Bad. Ganz wichtig, um an den Tagen, an denen das Badezimmer von innen zufriert, ein bisschen warm zu werden.  Und sollte die Laune weiter im Keller sein, dann hilf

Hoffnung und Liebe

23.02., 16 Uhr, alles ruhig in der Armbeuge 23.02., 17 Uhr, waaaaah! 24.02., 7 Uhr, es ist immer noch da. Nach dem Geburtstagsessen meines Schwagers (es gab den Himalaya aus Kässpätzle mit einem Nebengebirge aus geschmälzten Zwiebeln, diese gutbürgerlichen Restaurants immer, als gäb's nie wieder was zu Essen), Monster malen ("ich mal Fresso und du Glotzer"), Fratzen-Fotos und Sofa schleudern mit den Kindern, wollte ich eigentlich nur kurz ins Tattoo-Studio, um mich nach einem Termin zu erkundigen und dann schnell nach Hause, ich fühlte mich wie Fresso (ich habe das Kässpätzle-Zwiebel-Gebirge selbstverständlich aufgegessen). Der nette junge Mann warf nur einen kurzen Blick auf meinen Entwurf, zog die Augenbrauen hoch und sagte: "Des kann man schon machen, aber eigentlich geht Tattoo anders." Und "Termin brauchsch' dafür net, Termin brauchsch' nur für richtige Tattoo, des mach' ich glei, mir isch eh' langweilig." Das ist

8 Dinge

Als ich bei Fünf Dinge   mitmachen durfte (immer und immer wieder: danke!), habe ich lange überlegen müssen, welche fünf Dinge es auf meine Liste schaffen. Denn natürlich gibt es mehr als fünf Gegenstände in meiner Wohnung und meinem Leben, die mir etwas bedeuten und ich habe mich dann mehr oder weniger spontan für fünf Dinge entschieden . Abgesehen davon, dass die Seite wunderschön ist, hat sie mich dazu gebracht, viel über dieses Thema nachgezudenken, mich bewusst mit den Gegenständen und ihrer Geschichte auseinander zu setzen und plötzlich war mir beides (Gegenstand + Geschichte) wieder ganz nah und deshalb möchte ich die Geschichten von acht weiteren Dingen erzählen. * Die weisse Spitzenbluse stammt aus dem Nachlass meiner Großtante. Ich kannte sie nicht besonders gut, ich habe lediglich eine vage Erinnerung daran, dass wir sie und ihren Mann mal in Augsburg besucht haben, als meine Schwestern und ich noch klein waren. Aber meine Mutter stand ihr ziemlich nahe und sie habe