Als Dirty Dancing im Kino lief, war ich dreizehn Jahre alt und ich habe diesen Film geliebt, wie nur Dreizehnjährige das können, mit ganzem Herzen, manchmal musste ich weinen, wenn ich daran dachte, dass es nur ein Film war. Ich weiß gar nicht, wie oft ich ins Kino gegangen will, denn damals musste man einen Film sozusagen auf Vorrat gucken, ihn verinnerlichen & auswendig lernen. Kein DVD-Release nach 6 Monaten, kein Internet, keine Raubkopierer. Ein paar Wochen im Kino und fertig, zumindest für mich, denn wir hatten keinen Videorekorder.
Für Baby & Johnny habe ich mein ganzes Taschengeld geopfert und den jährlichen Skitag meiner Schule geschwänzt, ich bin mit meinen zentnerschweren Schlittschuhen ins Kino geschlichen, statt in den Bus zur Eisbahn zu steigen. Das Kino bestand aus 2 Sälen, die "Rex" und "City" hießen, im Vorraum drängelten sich minderjährige Mädchen und an der Kasse saß Nina, die war ein paar Klassen über mir, riss Karten von einer großen Rolle ab, verkaufte uns Gummibärchen und schüttelte milde lächelnd den Kopf über uns zappelige Teenager, die bereit waren, sich um die besten Plätze zu prügeln.
Ich wollte natürlich sein wie Baby und mit Johnny knutschen. Aber nur knutschen, ich war dreizehn und wollte an Sex nicht mal denken, die Fotos von den nackten Pärchen unter der Dusche, die in der Bravo abgebildet waren, fand ich gruselig und wenn jemand "Penis" gesagt hat, bin ich rot geworden und musste verschämt kichern. Ich wollte Wassermelonen tragen und Johnny sollte "mein Baby gehört zu mir" nur für mich sagen.
Und vor allem wollte ich den Mambo tanzen können. Im darauf folgenden Jahr, 1987, war es dann soweit, ich machte Tanzkurs und wir lernten - natürlich - den Mambo. Allerdings ähnelten weder der Tanzlehrer noch mein Tanzpartner Johnny auch nur im Entferntesten. Der Lehrer war ein steifhüftiger Schwabe mit Bierbauch und Vollbart, mein Partner war mein linkischer, magerer Klassenkamerad Hans-Wolfgang, der genauso aussah, wie man sich so einen Hans-Wolfgang vorstellt. Schon mit vierzehn. Wir wackelten also über 's Parkett, völlig ohne Rhythmus, ohne Koordination und natürlich ohne jede Spur von Erotik, keiner ist auch in die Nähe des Tanzbereiches des anderen gekommen.
Ich erinnere mich daran, den Mambo dann nicht mehr so toll gefunden zu haben, woran meiner Meinung nach der blöde Lehrer und der noch blödere Hans-Wolfgang schuld waren. Deshalb war es ganz okay, dass wir beim Abschlussball nur Wiener Walzer vortanzen mussten. Dieser Ball war eine unfaire Sache, die Jungs haben uns Mädchen zerrupfte Blumensträusse geschenkt, im Gegenzug mussten wir ihnen etwas schenken, das sie sich von uns wünschen durften. Für mich hieß das, dass ich im einzigen Plattenladen der Stadt nach einer ABBA-Platte für Hans-Wolfgang suchen musste. Klingt jetzt gar nicht so schlimm, ich mag ABBA ganz gerne, aber damals war das einfach ultrapeinlich, denn ich stand total auf die Pet Shop Boys und die Ärzte und ABBA ging mal so gar nicht, das fanden meine Eltern gut. Blöder Hans-Wolfgang.
Dennoch fand ich den Ball ungeheuer glamourös, hallo, es war ein BALL, und ich weiß noch genau, wie ich zu meiner Freundin Sandra "heute abend werden wir uns nicht wieder erkennen" sagte, als ich mich am Balltag nach der Schule von ihr verabschiedete. Na ja, wir sahen dann doch ziemlich genauso aus wie immer, die Haare vielleicht noch ein wenig toupierter und festgesprühter als sonst (Sandra hatte eine unglaubliche Kurzhaarfrisur, die ihr den Spitznamen "Der Helm" eingebracht hat)und etwas aufwändiger, nur keineswegs geschmackvoller als sonst gekleidet, aber die Pickel waren immer noch da und knallrosa Lippenstift trugen wir sowieso rund um die Uhr. Ich trug einen schwarzen Rock mit asymetrischem Saum und Volants, nur hieß das bei uns nicht "Volants", sondern "Stufenrock", eine violette Bluse mit Schulterpolstern, die immerhin meine Augenfarbe gut zur Geltung brachte, transparente schwarze Strumpfhosen und Lackballerinas mit kleinen Schleifen drauf. Ich weiß das so genau, weil es Beweisfotos gibt, bin mir aber sicher, dass ich dieses Outfit sowieso nie vergessen hätte, weil der Abschlussball für mich ein so großes Ereignis war. Auf dem Foto sieht man ganz genau WIE zerrupft und mickrig mein Blumenstrauss ist, blöder Hans-Wolfgang, aber ich bewahre Haltung, während Hans-Wolfgang guckt, als hätte er noch nie einen Fotoapparat gesehen. Außerdem hat er mich gezwungen, mit seinem Vater zu tanzen und hat selbst den ganzen Abend Nudelsuppe gegessen. Sandras Tanzpartner (der Markus) hat immerhin mit ihr geknutscht und sie sind dann ein paar Wochen miteinander gegangen, die Glückliche.
Auf Tanzen hatte ich dann erstmal keine Lust mehr, aber Dirty Dancing habe ich weiter geliebt und liebe ich immer noch. Er ist einer meiner Gute-Laune-Warm-ums-Herz-Filme, ich kann mitsprechen - "verstehst du nicht, dass ich dich brauche, Johnny??" - und werde immer ganz zuckerwattesentimental, wenn ich ihn sehe, keine Ahnung warum und es ist mir auch egal, wozu muss ich wissen, warum ich liebe?
Heute abend läuft er im Fernsehen und darüber freue ich mich sehr, natürlich werde ich ihn mir ansehen. Was wohl aus Hans-Wolfgang geworden ist?
Für Baby & Johnny habe ich mein ganzes Taschengeld geopfert und den jährlichen Skitag meiner Schule geschwänzt, ich bin mit meinen zentnerschweren Schlittschuhen ins Kino geschlichen, statt in den Bus zur Eisbahn zu steigen. Das Kino bestand aus 2 Sälen, die "Rex" und "City" hießen, im Vorraum drängelten sich minderjährige Mädchen und an der Kasse saß Nina, die war ein paar Klassen über mir, riss Karten von einer großen Rolle ab, verkaufte uns Gummibärchen und schüttelte milde lächelnd den Kopf über uns zappelige Teenager, die bereit waren, sich um die besten Plätze zu prügeln.
Ich wollte natürlich sein wie Baby und mit Johnny knutschen. Aber nur knutschen, ich war dreizehn und wollte an Sex nicht mal denken, die Fotos von den nackten Pärchen unter der Dusche, die in der Bravo abgebildet waren, fand ich gruselig und wenn jemand "Penis" gesagt hat, bin ich rot geworden und musste verschämt kichern. Ich wollte Wassermelonen tragen und Johnny sollte "mein Baby gehört zu mir" nur für mich sagen.
Und vor allem wollte ich den Mambo tanzen können. Im darauf folgenden Jahr, 1987, war es dann soweit, ich machte Tanzkurs und wir lernten - natürlich - den Mambo. Allerdings ähnelten weder der Tanzlehrer noch mein Tanzpartner Johnny auch nur im Entferntesten. Der Lehrer war ein steifhüftiger Schwabe mit Bierbauch und Vollbart, mein Partner war mein linkischer, magerer Klassenkamerad Hans-Wolfgang, der genauso aussah, wie man sich so einen Hans-Wolfgang vorstellt. Schon mit vierzehn. Wir wackelten also über 's Parkett, völlig ohne Rhythmus, ohne Koordination und natürlich ohne jede Spur von Erotik, keiner ist auch in die Nähe des Tanzbereiches des anderen gekommen.
Ich erinnere mich daran, den Mambo dann nicht mehr so toll gefunden zu haben, woran meiner Meinung nach der blöde Lehrer und der noch blödere Hans-Wolfgang schuld waren. Deshalb war es ganz okay, dass wir beim Abschlussball nur Wiener Walzer vortanzen mussten. Dieser Ball war eine unfaire Sache, die Jungs haben uns Mädchen zerrupfte Blumensträusse geschenkt, im Gegenzug mussten wir ihnen etwas schenken, das sie sich von uns wünschen durften. Für mich hieß das, dass ich im einzigen Plattenladen der Stadt nach einer ABBA-Platte für Hans-Wolfgang suchen musste. Klingt jetzt gar nicht so schlimm, ich mag ABBA ganz gerne, aber damals war das einfach ultrapeinlich, denn ich stand total auf die Pet Shop Boys und die Ärzte und ABBA ging mal so gar nicht, das fanden meine Eltern gut. Blöder Hans-Wolfgang.
Dennoch fand ich den Ball ungeheuer glamourös, hallo, es war ein BALL, und ich weiß noch genau, wie ich zu meiner Freundin Sandra "heute abend werden wir uns nicht wieder erkennen" sagte, als ich mich am Balltag nach der Schule von ihr verabschiedete. Na ja, wir sahen dann doch ziemlich genauso aus wie immer, die Haare vielleicht noch ein wenig toupierter und festgesprühter als sonst (Sandra hatte eine unglaubliche Kurzhaarfrisur, die ihr den Spitznamen "Der Helm" eingebracht hat)und etwas aufwändiger, nur keineswegs geschmackvoller als sonst gekleidet, aber die Pickel waren immer noch da und knallrosa Lippenstift trugen wir sowieso rund um die Uhr. Ich trug einen schwarzen Rock mit asymetrischem Saum und Volants, nur hieß das bei uns nicht "Volants", sondern "Stufenrock", eine violette Bluse mit Schulterpolstern, die immerhin meine Augenfarbe gut zur Geltung brachte, transparente schwarze Strumpfhosen und Lackballerinas mit kleinen Schleifen drauf. Ich weiß das so genau, weil es Beweisfotos gibt, bin mir aber sicher, dass ich dieses Outfit sowieso nie vergessen hätte, weil der Abschlussball für mich ein so großes Ereignis war. Auf dem Foto sieht man ganz genau WIE zerrupft und mickrig mein Blumenstrauss ist, blöder Hans-Wolfgang, aber ich bewahre Haltung, während Hans-Wolfgang guckt, als hätte er noch nie einen Fotoapparat gesehen. Außerdem hat er mich gezwungen, mit seinem Vater zu tanzen und hat selbst den ganzen Abend Nudelsuppe gegessen. Sandras Tanzpartner (der Markus) hat immerhin mit ihr geknutscht und sie sind dann ein paar Wochen miteinander gegangen, die Glückliche.
Auf Tanzen hatte ich dann erstmal keine Lust mehr, aber Dirty Dancing habe ich weiter geliebt und liebe ich immer noch. Er ist einer meiner Gute-Laune-Warm-ums-Herz-Filme, ich kann mitsprechen - "verstehst du nicht, dass ich dich brauche, Johnny??" - und werde immer ganz zuckerwattesentimental, wenn ich ihn sehe, keine Ahnung warum und es ist mir auch egal, wozu muss ich wissen, warum ich liebe?
Heute abend läuft er im Fernsehen und darüber freue ich mich sehr, natürlich werde ich ihn mir ansehen. Was wohl aus Hans-Wolfgang geworden ist?
Ich liiiebe Dirty Dancing auch. Bei deinem Text habe ich laut gelacht. Ich glaube jeder hatte früher mal einen Hans-Wolfgang...
AntwortenLöschenDu schreibst so enzückend, dass ich Gänsehaut kriege und ganz doll grinsen muss, wenn ich mir Hans-Wolfgang bei Nudesuppen löffeln vorstelle... hihi! Ganz großes Kompliment.
AntwortenLöschenDa hast Du Recht, Valerie. Und vermutlich sind unsere Hans-Wolfgangs jetzt alle Anwälte, Steuerberater oder gar Steueranwälte und keiner von ihnen guckt heute Dirty Dancing.
AntwortenLöschenLiebe Rike, vielen Dank für das Kompliment, das freut mich wirklich sehr.